© Jens König

Eulenspiegel in Mölln

Eine traditionsreiche Geschichte

Der Stadtarchivar Christian Lopau veröffentlichte einen Aufsatz zu den Darstellern der Eulenspiegelfigur in Mölln. Dieser ist in "Lauenburgische Heimat - Zeitschrift des Heimatbund und Geschichtsvereins Herzogtum Lauenburg e.V., Heft 203, März 2017, S. 8-31" erschienen.

Schon seit Jahrhunderten ist Mölln mit dem Namen Till Eulenspiegels aufs Engste verbunden. Mit dem Erscheinen der ersten Ausgabe des Eulenspiegelbuches 1510/11 wurde Mölln als letzter Aufenthalt und Sterbeort des Narren bekannt. Reisende besuchten schon im 16. Jahrhundert sein Grab, und Zacharias Conrad von Uffenbach berichtet 1710, dass auswärtigen Besuchern im Rathaus die Kleider Eulenspiegels gezeigt wurden.

Mit den Anfängen des Tourismus wurde Eulenspiegel mehr und mehr als Werbeträger für den Kurort Mölln eingesetzt, aber es dauerte bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts, ehe man in der Eulenspiegelstadt auch jemanden in Eulenspiegels Kleider schlüpfen ließ, um den Narren zu verkörpern.

Die Suche nach Informationen über diejenigen, die hier in Mölln den Eulenspiegel dargestellt haben, war nicht einfach. Alfred Flögel, lange Jahre Vorsitzender des Heimatbund und Geschichtsvereins in Mölln und auf Kreisebene, hat vor einigen Jahren für die Eulenspiegel-Gilde einiges zu diesem Thema zusammengetragen. Es blieben aber viele Fragen offen. Manches habe ich nicht abschließend klären können und so bin ich allen dankbar, die meine Ausführungen ergänzen können und etwaige Fehler oder Ungenauigkeiten richtigstellen.

Erste Auftritte in Mölln

1908 feierte der Lauenburgische Geschichtsverein in Mölln sein 25-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass wurde ein „Lauenburgisches Heimatfest“ veranstaltet, das am 23. und 24. Mai 1908 zahlreiche Besucher aus dem ganzen Kreis nach Mölln zog. Das alte Steintor war für die Festtage rekonstruiert worden und der Ratzeburger Chronist Louis Hellwig verfasste ein Festspiel mit „Bildern aus der lauenburgischen Geschichte“. Der besondere Höhepunkt war aber zweifellos ein Festzug mit historischen Kostümen. „Wo so viel erlauchte Gestalten aus dem Dämmer der vergangenen Tage emporsteigen, wo so viel frohes Volk rumort, da duldet’s auch den einen, den Schalk nicht im Grabe an St. Nikolai. Vergnüglich lenkt er die Mähre von seinem Karren und wer seine Narrenschellen nicht erkennt, dem weist er sein Wappenzeichen, Eule und Spiegel, die ihm auch hier treu blieben.“

Im Protokoll einer vorbereitenden Sitzung zum Heimatfest heißt es: „Den Schluss des Zuges soll Till Eulenspiegel auf dem Esel bilden. Es wird vorgeschlagen Herr Schlachter Förster“. Ob dieser Schlachter Förster den Eulenspiegel dann auch wirklich verkörpert hat, lässt sich leider nicht mehr feststellen. Im Foto ist dieser Auftritt nicht festgehalten, aber es ist der früheste Beleg, dass man den Narren in Mölln leibhaftig hat durch die Straßen der Stadt ziehen lassen. Dieser Auftritt blieb aber offenbar für lange Zeit ein singuläres Ereignis.

 

1925

Paul Schur

Ein Malermeister im Eulenspiegel-Kostüm

1925

Robert Wendt

Ein Eulenspiegel-Darsteller auf Reisen

1946

Max Waschulewski

1949

Alfred Pantelmann

1950

Fritz Bülow

1950

Gerhard Bartelt

1950

Kabarettist Alexis

1950

Günther Lüders

1951

Helmuth Osterhof

1952

Richard Münch

1953
bis 1964

Eduard Ave

1957

Hermann Lenschau

1963

Adolf Gieselmann

1963

Egon Nowél

1965

Kurt Lempio

1969

Waldemar Ave

Ein Vierteljahrhundert im Narrenkleid

1991

Mario Schäfer

2017

Sven Kolb

© photocompany

Ausführliche Informationen zur Geschichte der Eulenspiegeldarsteller

Ein Malermeister im Eulenspiegel-Kostüm: Paul Schuhr

Paul Schuhr, ein Malermeister, legte das Eulenspiegelkostüm zuerst 1925 zum Verbandstag des Zweigverbands „Norden“ der Deutschen Bäcker-Innungen an.

Initiator des Verbandstages war der Möllner Bäckermeister und Gastwirt Benno Burmester. Zu dem Treffen vom 24.-26. Mai 1925 wurden mehrere Hundert Bäckermeister aus ganz Norddeutschland erwartet. Es wurde eine Sonderpostkarte gedruckt, auf der auch der Eulenspiegel zu sehen sein sollte.

Von den Stammtischbrüdern aus Burmesters Gasthof fand sich der Malermeister Paul Schuhr bereit, in das Kostüm zu schlüpfen.

Die Idee wurde weiter ausgesponnen. Der Eulenspiegel sollte auch die mit dem Zug eintreffenden Gäste am Bahnhof begrüßen: „Das würde Aufsehen erregen [...] Die Teilnehmer waren ob dieser Idee begeistert. Das war ein Erlebnis, von dem überallhin berichtet wurde.“

Der Einfall wurde aber noch weiter entwickelt. Bäckermeister Burmester war auch Ratsmitglied und dort wurde Einigkeit erzielt, dass es dem „Fremdenverkehrsort Mölln gut anstehen könnte, wenn die vielen Gastvereine, die allsommerlich ihre Feste in den Lokalen der Stadt feierten, auf solch einmalige Art willkommen geheißen würden. Mit Paul Schuhr wurde ein Einverständnis erzielt. Fortan zog er als Eulenspiegel an der Spitze der Gästeschar zum jeweiligen Festsaal. Schnell gehörte er zum vertrauten Straßenbild, volle 20 Jahre hindurch.“

Berichte über die Auftritte Paul Schuhrs während dieser Zeit finden sich nur sehr vereinzelt. In der „Lauenburgischen Zeitung“ vom 24. Mai 1938 wird beispielsweise erwähnt, dass der Eulenspiegel auswärtige Gäste begrüßt habe gemeinsam mit „den Herren vom Vorstand des Verkehrs-Vereins“.

Paul Schuhr wurde 1945 zum Volkssturm eingezogen und ist seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vermisst.

 

Ein Eulenspiegel-Darsteller auf Reisen: Robert Wendt

Ungefähr zur selben Zeit, als Paul Schuhr seinen ersten Auftritt hatte, wurde die Idee geboren, jemanden in ein Eulenspiegel-Kostüm zu stecken und ihn auf Tournee durch Schleswig-Holstein zu schicken. Nicht der Tourismus sollte mit dieser Idee gefördert werden, sondern ein Projekt, das in dieser Zeit knapper Mittel anders offenbar nicht anders zu finanzieren gewesen wäre.

Fest steht, dass Robert Wendt im Sommer 1925 im Auftrag des Sportvereins Spenden für den Bau des Sportplatzes sammelte. Er verkaufte im Eulenspiegelkostüm Postkarten als „Bausteine“ für den Sportplatzbau.

Es ist heute nicht mehr zu ermitteln, warum die Wahl auf Robert Wendt gefallen ist. Robert Wendt wurde am 28. April 1895 geboren und stammte aus Hamburg-Uhlenhorst. Er war also 30 Jahre alt, als er die Aufgabe übernahm. Wendt war gelernter Maurer, wurde im Ersten Weltkrieg Soldat und kam nach seiner Verwundung ins Reservelazarett nach Ratzeburg, wo er seine spätere Frau kennenlernte, die er 1920 heiratete. Während der Inflation war er arbeitslos – sicher auch ein Grund, etwas ganz anderes zu versuchen. Immerhin hatte Robert Wendt eine „künstlerische Ader“, er zeichnete, malte und gehörte in den 1920er-Jahren zu den Mitbegründern des Möllner Mandolinen-Clubs. Er hat später Plakate entworfen und Kinoreklame gestaltet. Im Stadtarchiv befindet sich ein Vertrag zwischen dem Möllner Sportverein von 1912 und Robert Wendt vom 10. Juli 1925, in dem die Einzelheiten der Sammelmission festgelegt werden.

„§ 1 Der Möllner Sportverein veranstaltet eine Schleswig-Holstein-Wanderung im Eulenspiegelkostüm, deren Ausführung Herr R. Wendt […] unternimmt.

§ 2 Sämtliche Ausrüstungsgegenstände werden Herrn Wendt geliefert als 1 Fahrrad mit Kastenaufsatz, 1 Anzug (Eulenspiegel) mit Mantel, 1 Paar Schuhe, 1 Degen, 1 Brille, 1 Kopfbedeckung.

§ 3 Das Gebiet ist nicht begrenzt, kann also auf das gesamte Deutsche Reich ausgedehnt werden.

§ 4 Herr Wendt übernimmt die Verpflichtung, sämtliche Gebiete in Eulenspiegeltracht zu durchwandern.

§ 5 Herr Wendt übernimmt weiter die Verpflichtung, zu liefernde Postkarten zum Mindestpreise von 20 Pfennig pro Stück zu verkaufen […] Täglich ist ein Bericht nach vorgesehenem Muster pünktlich abzusenden, ebenfalls die Gelder.

§ 6 Als Entschädigung erhält Herr Wendt monatlich Mk. 100,- Spesen […] Die Ehefrau Wendt erhält wöchentlich eine Unterstützung von Mk. 20,-

§ 7 Nach Abwicklung der Reise erhält Wendt eine Extra-Umsatz-Provision von 10% vom tatsächlichen Brutto-Umsatz im Sinne des Kartenverkaufs ausgezahlt.

[…]

§ 11 Die nötige Reklame, insbesondere Zeitungs-Lokalnotizen pp. erledigt Herr Wendt.

§ 12 Die Vertragsdauer läuft solange, wie Herr Wendt es wünscht, jedoch müssen die Einnahmen größer sein als die Gesamtausgaben. Sobald eine Unterbilanz eintritt, endet das Unternehmen […].“

Den Anzug lieferte der „Möllner Maskenverleih“ in der Mühlenstraße, die Schuhe wurden von Schuhmachermeister Wenske am Mühlenplatz nach Maß gefertigt und das Fahrrad (Marke Opel) lieferte die Firma Frewert.

Am 26. Juli 1925 startete Robert Wendt am Möllner Bauhof. Seine Erlebnisse hat der Eulenspiegeldarsteller in einem knappen Reisetagebuch festgehalten:

„26. Juli 25. Abmarsch von Gasthof Brandt z. Eulenspiegel in Mölln. Mein Pferd wird wild und wirft mich glänzend ab. Zu Fuß mit Musik zum Tor hinaus. Begleitet von ca. 10 Radfahrern nach Fredeburg – Ratzeburg. Autos angehalten. Postkartenverkauf zufriedenstellend […]in Ratzeburg nicht viel los an Vergnügungen.“

R. Wendts Reise führt ihn nach Ratzeburg – Lübeck (Übernachtung im Seemannsheim)  – Schwartau („Spaziergang mit Erna in Zivil“) – Travemünde – („Am Strand gelegen, den Kindern Geschichten erzählt“) – Niendorf/Ostsee – Timmendorf – Eutin – Malente – Lütjenburg – Plön – Preetz („Sehr freche Kinder in Preetz, schlechte Laune, Geschäft sehr flau“) – Kiel („Arbeitslosigkeit ist zu merken“) und Umgebung – Eckernförde – Rendsburg – Schleswig („Regierung und Polizei, Kleinigkeitskrämer, endlich Erlaubnis für abends und sonntags“) – Flensburg („um 6 ½ Uhr zu einem Zigarrengeschäft. An 100 Kinder hinter mir her, etwa 1 Std. drin geblieben, damit Kinder weggehen, kommen aber immer mehr. Licht ausgedreht. Kinder sagen: ‚Jetzt verstecken wir uns, dann kommt er raus‘. Ich verschwinde durch hinteren Ausgang nach einer andern Straße. Bis 8 h haben die Kinder gewartet, bis sie merkten, dass [sie] angeführt sind“) – Glücksburg – Husum („Viel Kinder stören. Kein Verständnis für die Sache“) – Tönning – Heide – Meldorf – Marne -  Brunsbüttel – Wilster – Kellinghusen – Wrist – Bad Bramstedt- Neumünster.

Für Robert Wendt war diese Reise als Eulenspiegel durch Schleswig-Holstein eine einmalige Aktion. Er hat später, ab 1934, in der Heeresmunitionsanstalt in der Registratur gearbeitet und nach dem Krieg in der Sperrholzfabrik Thiele sowie als Desinfektor. 1948 ist er in Mölln verstorben.

 

Die ersten Eulenspiegel-Festspiele in Mölln

In die späten 1920er-Jahre fallen die ersten Eulenspiegel-Festspiele in Mölln. Alfred Flögel schreibt darüber im Gildebrief der Eulenspiegelgilde:

„Erst der Rundfunk gab den Anstoß, über Eulenspiegel-Freilichtspiele auf dem Marktplatz nachzudenken. Es war der 1. September 1928, als die NORAG zu einem Eulenspiegelfest einlud. Ab 20 Uhr bewegte sich ein langer, buntkostümierter Zug unter den Klängen der Feuerwehrkapelle die Hauptstraße entlang. Ihr folgte ein Herold und nach ihm auf einem schimmelbespannten Karren der inhaftierte Eulenspiegel. Zu beiden Seiten die Henkersknechte, blutrot gekleidet. Dann der Herzog von Lauenburg, Möllns Bürgermeister und Ratsherren, alle feierlich in ihren Amtsroben. Zum Schluss viel Volk in mittelalterlicher Tracht. So ging es hinauf zum Marktplatz, wo von Fackeln beleuchtet eine Gerichtsverhandlung stattfand. Till Eulenspiegel wurde zum Tode durch Ertränken verurteilt. Für die Vollstreckung war ein Ortswechsel vorgesehen. Geschlossen ging es hinunter zum „Weißen Ross“, wo Till Eulenspiegel im Stadtsee ertränkt werden sollte. Dort folgte ein lebhafter Disput, Eulenspiegel gelang es nachzuweisen, dass er eigentlich ein Weiser, ein Philosoph sei, der nicht hingerichtet werden dürfte. Also wurde der Schelm unter dem Jubel der Bevölkerung freigesprochen. Lange Zeit noch wurde von dieser Aufführung gesprochen, so etwas gehörte nach Mölln. Das müsste unbedingt wiederholt werden.“

Tatsächlich hat es über zwanzig Jahre gedauert, ehe diese Idee wieder aufgegriffen wurde.

 

Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg

Ein Zeichen der allmählichen Besserung der wirtschaftlichen Situation nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Bestrebungen zur Wiederaufnahme des Fremdenverkehrs:

„Dank der begnadeten Lage unserer Stadt mit ihren landschaftlichen Reizen an Seen und Wäldern müsse von ihr aus alles getan werden, um weiterhin eine Kurstadt zu bleiben zur Freude der Fremden und zum eigenen Nutzen und damit wieder zu namhaften Einkünften zu kommen, die der Stadt einen neuen Aufschwung geben und sie immer weiter bekanntwerden lassen.“

Zu diesen Überlegungen gehörte die Figur Eulenspiegels maßgeblich dazu. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg ist Max Waschulewski sen. hin und wieder eingesprungen, um den Eulenspiegel darzustellen. Er hat auf dem Marktplatz für Besuchergruppen auch kurze Vorträge über Eulenspiegel gehalten.

Ende der 1940er-Jahre ist auch Alfred Pantelmann in das Eulenspiegel-Kostüm gestiegen. Beim Umzug anlässlich des 75-jährigen Jubiläums der Freiwilligen Feuerwehr Mölln (3./4. September 1949) ist er auf einem Fahrzeug zu sehen.

 

1950 – Das Jahr des Narren

Das Jahr 1950 stand in Mölln ganz im Zeichen Till Eulenspiegels. 1350 soll der Narr in Mölln gestorben sein und aus Anlass des 600. Todesjahres ließen die Möllner kurz vor Beginn des neuen Jahres Eulenspiegel wieder aus dem Grabe steigen. Bürgermeister Rudolf M. Michelsen fordert auf zum „Kampf den Humorlosen und allen denen, die nicht lachen können.“

Die Stadt Mölln erhoffte sich von den geplanten Veranstaltungen einen spürbaren Aufschwung für den Tourismus.

In der Silvesternacht 1950 entstieg bei der Ansprache des Bürgermeisters zur Eröffnung des Festjahres Till Eulenspiegel in historischer Tracht (Schwarz-Rot) einer Grab-Attrappe und ernannte das Stadtoberhaupt zu seinem Stellvertreter und Ehren-Eulenspiegel.

Für die „Auferstehung“ Eulenspiegels aus dem Grab setzte sich Fritz Bülow die Narrenkappe auf. Im Laufe des Festjahres 1950 hat Bülow dann vor allem auswärtige Termine als Eulenspiegel wahrgenommen (z.B. bei Volksfest in Lübeck, beim Frühlingsfest in Hamburg, in Timmendorfer Strand und Brunsbüttelkoog). Hier konnte er für die Eulenspiegel-Festspiele werben, die der Höhepunkt des Festjahres in Mölln werden sollten.

Über einen dieser Auftritte in Lübeck berichteten die „Lübecker Nachrichten“ am 27. Juli 1950:

Im Rathaus wurde Till empfangen, ließ dort einen Bonbonregen auf die Kinder niedergehen und fuhr dann „in blumengeschmückter, historischer Hochzeitsdroschke zum Volksfestplatz“: „Der Bunte in der Kapuze rechtfertigte seinen Ruf, als er aus der Droschke sprang, um eine Schmalzkuchenbäckerei zu plündern. Es wäre ein Schlemmen geworden, wie es im Buche steht, wäre das Festgebäck nicht mit Salz bestreut und mit Mostrich gefüllt gewesen: Die Eisfabrikanten ließen den Schalksnarren ruhig im ‚ewigen Eise‘ wühlen.“

Till versuchte sich als Dirigent im Bayernzelt, probierte einen Stand mit Luftballons zu plündern und wurde schließlich „wegen groben Unfugs, Verkehrsstörung und Plünderung“ verhaftet.

In Hamburg traf Eulenspiegel u. a. mit Max Brauer und Paul Nevermann zusammen.

Da Fritz Bülow beruflich eingebunden war und für die zahlreichen Termine nicht zur Verfügung stand, veranstaltete die Stadt im Rahmen des Eulenspiegel-Festjahres auch eine „Casting-Show“, um einen geeigneten Darsteller für die Rolle des Eulenspiegels zu finden.

Der damals 26-jährige Gerhard Bartelt ging im Juni 1950 als Sieger aus einem „Narrenwettbewerb“ der Stadt Mölln hervor. Bartelt, hatte wohl schon vorher einige Auftritte im Rahmen des Eulenspiegelfestjahres absolviert. In den „Lübecker Nachrichten“ erschien am 2. März 1951 ein Bericht über Gerhard Bartelt, in dem es heißt, er habe im Vorjahr (1950) 90.000 Menschen „empfangen und durch Mölln geführt“.

Dieser Bericht erwähnt, dass Bartelt „eigentlich […] Schlosser und Maschinenbauschüler“ sei: „Seit anderthalb Jahren aber gehört er der großen Armee der Arbeitslosen an. In seiner Eulenspiegel-Spielerei sieht er keine Beschäftigung, sondern nur eine Notlösung.“

Daneben war er für die Erwerbslosenausschüsse in Mölln und Geesthacht tätig sowie den Selbsthilfebauverein „Glaube und Tat“.

In einem Zeitungsbericht, der leider undatiert und ohne nähere Quellenangabe vorliegt, heißt es:

„Während die Erwachsenen in fieberhafter Arbeit die letzten Vorbereitungen treffen, treiben die Möllner Kinder in den Straßen mit dem vor wenigen Wochen gewählten Eulenspiegel II. ihren Scherz. ‚Uhl-Uhl‘ rufen sie, wenn er im Stadtbild auftaucht. ‚Erzähl uns doch eine Geschichte von deinen Streichen‘. Der Eulenspiegel II., ein in Mölln wohnender Student, tut es gern, denn die Stadt hat ihn für diese Aufgabe engagiert. Er empfängt und begrüßt die Gäste in Mölln, zeigt ihnen die Stadt und beantwortet darüber hinaus viele Briefe […] ‚Ich verdiene mir mit dieser Tätigkeit das Geld für das nächste Semester‘, gesteht Eulenspiegel II., ‚und außerdem habe ich selbst Freude an dieser Aufgabe. In der Festspielwoche werde ich die Gäste am Schlagbaum empfangen und Eulenspiegel – sein‘.“

Das Arbeitsamt wollte Bartelt wegen seiner Tätigkeit als Eulenspiegel aus der Liste der Arbeitssuchenden streichen und ihm auch keine Unterstützung mehr zahlen. Bürgermeister Franck wandte sich daraufhin an das Arbeitsamt: „Seine Entschädigung […] beläuft sich auf ca. 5.- DM pro Tag. Bei einer Beschäftigung von manchmal mehr als acht Stunden pro Tag ist dieses eine sehr bescheidene Vergütung.“ Der Bürgermeister bat daher, Gerhard Bartelt weiter als Arbeitslosen zu führen.

Der Komiker Alexis als Eulenspiegel in Mölln

Das Eulenspiegeljahr war nach dem furiosen Auftakt auf eher verhaltene Resonanz in der Bevölkerung gestoßen: „Dann kam der 30. April mit dem Auftreten des Kabarettisten Alexis. Was monatelanges Organisieren nicht vermochte, vollbrachte sein Auftreten in Stunden. Ganz abgesehen von dem Erfolg des Tages mit seinen einzelnen Festlichkeiten interessierte sich plötzlich von kleinsten Hemdenmatz bis zum seriösen Geschäftsmann alles für das, was das Eulenspiegeljahr noch bringen würde.“

Der Kabarettist Alexis kam lediglich für einen Auftritt als Eulenspiegel im Rahmen des Eulenspiegel-Festjahres 1950 nach Mölln.

Die „Lübecker Nachrichten“ kündigten den Besuch am 28. April 1950 an:

„Mölln feiert Auftakt zum Eulenspiegel-Jahr [am 30. April]. Am Bahnhof wird der auferstandene Narr seine Gäste begrüßen. Der bekannte Komiker Alexis ist es, der sich diesmal die Schellenkappe über die Ohren zieht. Sein Temperament kann der Sache nur dienlich sein. Freier Ausschank von Bier, Schnaps und Limonade [!] soll auch die etwas zurückhaltenden Geister der Möllner anfeuern.“ Auf dem Markt wurde ein ganzer Ochse über offenem Feuer am Spieß geröstet. Rund 20.000 Menschen nahmen an der Veranstaltung teil:

„Klirrende Scheiben machten den Anfang auf dem Bahnhofsvorplatz. Mit kühnem Sprung aus einem Fenster stand Alexis Eulenspiegel inmitten der ungezählten Tausenden und sein Gruß an die Möllner Bürger: ‚Da bin ich wieder nach 600 Jahren und es sind dieselben Gesichter wie damals!‘ fand tausendfaches Echo. Heiterkeit lag auf allen Gesichtern, als Till in einem geschmückten Wagen zum Bauhof rollte. Ein auf dem Bauhof stehender Verkaufsstand wurde das Opfer Eulenspiegels. Trotz lebhafter Gegenwehr des Besitzers und des Rufes nach der Polizei gelang ein Bonbondiebstahl und ein Bonbonregen ergoss sich über die Menge. Auch der Marktplatz wurde zum Schauplatz der Narrenstreiche des Schalks, der die Möllner weidlich foppte.“

Im Ratssaal wurde dann dem Brauereibesitzer Carl August Waechter die Ehrendoktorwürde „Dr. eulenspiegeliensis h.c.“ verliehen wegen seiner Verdienste „um die liebende Pflege der Erinnerung unseres größten Mitbürgers Till Eulenspiegel“.

Die Eulenspiegel-Darsteller bei den Festspielen der 1950er Jahre

Eulenspiegels Theater-Karriere hat schon früh begonnen. Der Dichter Hans Sachs (1494-1576) verwendete in einigen seiner Fastnachtsspiele Eulenspiegelgeschichten. In Mölln feierte man 1928 zum ersten Mal ein Eulenspiegelfest. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese Idee erneut aufgegriffen.

Auf Empfehlung Carl Zuckmayers, der als Autor ebenfalls im Gespräch gewesen war, gaben die Möllner dem jungen Dramaturgen Wolf von Niebelschütz den Auftrag, für die Festspiele im August 1950 ein Eulenspiegelstück zu schreiben.

So entstand das Stück „Eulenspiegel in Mölln“, in dem der bekannte und beliebte Schauspieler Günther Lüders die Hauptrolle übernahm.

Die „Lübecker Nachrichten“ zitieren Lüders: „Freilichtaufführungen? Nichts für mich! Aber wenn ich schon einmal unter freiem Himmel spiele, dann nur auf diesem Marktplatz mit seiner einzigartigen Szenerie.“

Brillant war Lüders‘ Darstellung. Aus der Vielzahl der Presse-Reaktionen charakterisiert die folgende sein Spiel vielleicht am treffendsten: „Günther Lüders hatte seine große Rolle. Seine Komik war weit gespannt: vom Inferioren, Bösen bis zu jenem todesmutigen Zynismus, der in der Einsamkeit beheimatet ist und unter dem unsichtbaren Banner der menschlichen Freiheit zu Grunde geht. Er ist ein dreckiger Fuchs. Seine Komik wird urhaft unheimlich, wenn er, unter dem Mantel zusammengehockt, den traurigen Vogelruf ausstößt; wenn er seine Worte in Explosivlauten, in den stöhnenden, beängstigenden Lüders-Lauten von sich gibt, oder wenn er schweigend die Hände bizarr vorm Körper verkrampft, seine Augen zur Seite wandern lässt und mit listiger Verworrenheit in unsichtbare Fernen blickt – o, dann ist es, als ob einer – bei Gott oder beim Teufel – das Gras wachsen hörte“

Das „Hamburger Abendblatt“ schrieb: „Man wird jetzt immer Günther Lüders mit der Figur des Eulenspiegel verbinden. Kein sehr lustiger Schellenmann, kein Clown. Sein Humor ist gallenbitter. Ein hagerer, durchgeistigter Till, der die Habgier und die Dummheit seiner Mitmenschen noch über den Tod mit Eulenspiegeleien geißelt.“

1952, als Mölln die 750-Jahrfeier der Stadtrechtsverleihung beging, fanden die Festspiele erneut auf dem Marktplatz statt.

Der Hamburger Autor Paul Schurek schrieb das Stück „Eulenspiegel verkauft Mölln“. In der Titelrolle war der Schauspieler Richard Münch zu sehen.

Richard Münch war an verschiedenen großen deutschen Theatern engagiert, u.a. in den Kammerspielen in München und Hamburg, in den Jahren 1953 bis 1962 am Düsseldorfer Schauspielhaus und am Schauspielhaus Hamburg. Daneben war er ein gefragter Hörspielsprecher und trat auch in einigen Fernsehproduktionen auf. In der deutschen Jerry-Cotton-Reihe verkörperte er den FBI-Chef Mr. High und in dem Edgar-Wallace-Thriller „Das Gasthaus an der Themse“ (1962) spielte er den unheimlichen Hai-Taucher.

Obwohl das Publikum erneut begeistert reagierte, ließ sich das Vorhaben, aus den Festspielen eine dauerhafte Einrichtung zu machen, nicht umsetzen. Die Stadt zog sich aus der Organisation zurück, und nur der Vorsitzende des Kulturausschusses und „Eulenspiegel-Kurator“ Wolfgang Friedrich verfolgte das Projekt noch weiter. So fanden 1957 noch einmal Festspiele in Mölln statt. Das Stück stammte von Friedrich Hedler, umgesetzt wurde es von einem Lübecker Ensemble um den Hauptdarsteller Hermann Lenschau.

Für besondere Aufmerksamkeit sorgte in jenem Jahr ein „Skandal“, der von der Presse ins Land getragen wurde und für besondere Werbung sorgte. Eine kirchliche Jugendgruppe hatte sich über die Darstellung einer Beichtszene empört und eine Absetzung des Stückes wegen Gotteslästerung verlangt. Der Protest blieb erfolglos, denn die Szene, die den lautstarken Unmut hervorgerufen hatte, stammte aus dem originalen Text des Eulenspiegelbuches und kritisierte gerade den Missbrauch der Sakramente!

Hermann Lenschau spielte ab 1947 an den Hamburger Kammerspielen, später an der Komödie Basel und am Thalia Theater in Hamburg.

Auch in einigen Fernsehrollen war Lenschau zu sehen, im „Kommissar“, bei „Derrick“, in der Serie „Fußballtrainer Wulff“ oder als Vorgesetzter von Zolloberinspektor Kressin im „Tatort“.

Auch auf einer Hörspiel-Schallplatte mit Eulenspiegels Streichen ist Hermann Lenschau zu hören – als Bäckergeselle.

Knappe Kassen

Der nächste in der Reihe der Möllner Eulenspiegel war Helmuth Osterhof. Nach den vorliegenden Berichten trat er zuerst 1951 auf. Er war bis 1953 im Einsatz.

Zu seinen Anfängen als Eulenspiegel-Darsteller schreibt Osterhof Ende November 1952:

„Im Juni 1951 übernahm ich auf Bitten des Herrn Bürgermeisters die Rolle des Till Eulenspiegel, um der Stadt Mölln den Shell-Werken gegenüber das Prestige zu erhalten. Ich bin dann dabei geblieben, weil ich in meiner damaligen Situation eine Chance für mich sah. Wenngleich mir damals gesagt wurde, dass die Stadt nichts zahlen könne, glaubte ich doch, dass man erkennen würde, welchen Wert die richtig dargestellte Figur des Eulenspiegel für die Stadt hat. Es ist mir in der Folgezeit oft und oft […] bestätigt worden, „dass ich der richtige Mann“ dafür sei.“

Für die Sommermonate 1952 hatte man Osterhof dann auch per Magistratsbeschluss 200,- DM Aufwandsentschädigung bewilligt, diese dann aber wiederum per Magistratsbeschluss auf 150,- DM gekürzt. Für den Winter sollte Osterhof zwischen 5,- und 10,- DM pro Auftritt erhalten.

Osterhof empfand das als „Trinkgeld“ und protestierte dagegen, dass der Stadt seine Dienste so wenig wert waren:

„Es soll mir jetzt keiner erzählen, dass aus den daraus resultierenden Einnahmen der Stadt, für den Mann, der der Stadt zum großen Teil die Einnahmen bringt, nicht das Geld da sein soll, um ihn über den Winter zu bringen. Denn man ist sich doch auch darüber klar, dass Mölln ohne den Eulenspiegel ein netter Ausflugsort wäre, mehr aber auch nicht. Jede andere Stadt würde sich um eine solche Figur reißen. Es kann nicht angehen und ich will es einfach nicht glauben, dass man Hunderte von Mark für neue Sitzkissen des Magistrats ausgibt und mich hungern und frieren lässt. Seit Wochen habe ist dreimal Mittagessen gehabt und das auch nur, weil ich dazu eingeladen war.“

So gekonnt das Schreiben auch formuliert war, der Magistrat lehnte es ab, Osterhofs Entschädigung als Eulenspiegeldarsteller zu erhöhen.

„Wir trafen ihn gestern auf der Straße und da erzählte er uns, dass er abtreten wird, Möllns ‚Eulenspiegel‘ Helmuth Osterhoff. Die Stadtväter haben beschlossen, in der kommenden Reisezeit einen Berufsschauspieler in die Narrenkappe zu stecken, und Helmuth Osterhoff wird sich einem ‚profaneren‘ Broterwerb zuwenden. Ob er ungern das Schelmengewand auszieht – wir wissen es nicht. Sicher ist aber, dass er den Ruhm für sich in Anspruch nehmen darf, sich der Freund von vielen Tausend Fremden und –zigtausend Kindern zu nennen. Kein Ereignis der letzten Jahre, bei dem Osterhoff nicht seine Stadt vertreten hätte. Da war der Bundestagsausschuss für gesamtdeutsche Fragen in Mölln, da kamen die Teilnehmer an der westdeutschen Fremdenverkehrstagung, die schwedischen, dänischen, finnischen und norwegischen Forstfachleute, die in Bonn akkreditierten Auslandsjournalisten, das dänische Kinderballett, französische Studenten, schwedische Sportler, sie alle wurden ebenso von Helmuth Osterhoff empfangen wie die vielen, vielen Angehörigen auswärtiger Großfirmen, die nach Mölln ihre Betriebsausflüge gemacht haben. Fast 75000 Menschen sind es gewesen, die ‚Eulenspiegel‘ während seiner Dienstzeit in Empfang genommen hat. Für sie alle ist Helmuth Osterhoff kein Begriff, an den Eulenspiegel am Möllner Bahnhof werden sich jedoch viele von Ihnen erinnern.“

Einen besonderen Streich spielte Osterhof den Finanzministern der deutschen Länder, die auf ihrer Besichtigungsfahrt durch Schleswig-Holstein im Oktober 1951 Mölln besuchten. Am Eulenspiegelbrunnen erhielten die Minister zunächst eine Taufe, wobei Eulenspiegel „die Hoffnung aussprach, dass sie von der Weisheit, die in diesem Wasser liege, erleuchtet würden. Dann überreichte er ihnen ein riesiges Ferkel, das seit der Währungsreform vergeblich hochgefüttert worden sei. ‚Vielleicht gelingt es euch hohen Herren, es auf dem Weg nach Bonn so zu nutzen, dass es den Bundessäckel mit Dukaten fülle‘, meinte Till spitzbübisch. Zum Auffangen der Dukaten gab er den Ministern einen mit den Bundesfarben verzierten Beuten [mit der Aufschrift ‚Bundessäckel‘]. Schließlich spielte er den Gästen noch einen Streich, als sie sich zum festlich gedeckten Mittagstisch im Möllner Kurhaus niederließen. Die Minister hatten sich kaum gesetzt, als Eulenspiegel feststellte: ‚Im armen Schleswig-Holstein darf so frugal nicht getafelt werden!‘ und mit einem Wink die Tische abdecken ließ. Stattdessen wurde den verdutzten Ministern ein Eintopf serviert.“

Nach Osterhofs Weggang aus Mölln gingen bei der Stadt offenbar zwei Bewerbungen ein. Der Tenor Richard Reisser (Hamburg) hatte eine Monatsgage von 800,- bis 1000,- DM im Sinn, was für die Stadt „unerfüllbar“ erschien. Auch die Vorstellungen des zweiten Bewerbers von 20,- DM Tagesgage plus Fahrgeld lagen über dem, was die Stadt bereit war zu zahlen.

Eduard Ave

So kam Eduard Ave zum Zuge, der als Darsteller bereits bei den Festspielen der Jahre 1950 und 1952 mitgewirkt hatte. Ave war am 29. Januar 1908 in Berlin-Wilmersdorf geboren worden und lebte Anfang der 1950er-Jahre in Gretenberge.

Offenbar war er schon 1950 aufgefordert worden, sich als Eulenspiegel zu bewerben, hatte damals aber abgelehnt, da er sich „inzwischen anderweitig ausgerichtet“ hatte.

Senator Zarmsdorf brachte den Vorschlag, Ave zu engagieren, im Magistrat ein. 350,- DM sollte Ave als Zeitangestellter erhalten: „Es soll noch erwogen werden, wie man den Darsteller über die Saison hinaus der Stadt nutzbar machen könnte. Ave ist techn. Kaufmann, Motorrad- und Fahrrad-Sachverständiger, zeitweilig gewesener Lehrer an einer Metallberufsschule“.

Schließlich wurde Ave außerhalb der Saison für verschiedene Arbeiten in der Stadtverwaltung eingesetzt.

Ein erster Einsatz Eduard Aves als Eulenspiegel ist schon für den Mai 1953 belegt.

In der Akte „Eulenspiegeldarsteller“ sind einige begeisterte Zuschriften erhalten von Gästegruppen, die von Ave empfangen worden sind:

„Mit viel Takt, Geist und Gewandtheit hat er es verstanden, uns freudig zu stimmen“, schreibt ein Regierungsamtmann für den Festausschuss des Rechnungshofes der Hansestadt Hamburg.

Die Direktion einer Versicherungsgesellschaft schreibt, dass Ave es „meisterhaft verstand, uns die Schönheiten und die besondere Atmosphäre Ihrer Stadt nahezubringen. Sie könnten wirklich keinen besseren Werber für Ihre Stadt haben! Mit viel Esprit spielte er seine Rolle nicht nur als Spaßmacher und Unterhalter, sondern als begeisterter Möllner.“

Dagegen gibt es aber auch Beschwerden. Ein Schulrat empört sich: „Inhalt und Form dieser Erzählung waren für die Kinder völlig untragbar, weil sie unanständig waren.“

Ein Porträt des Eulenspiegel-Darstellers beschreibt den gebürtigen Berliner als jemanden, der „mit Leidenschaft dem Laienspiel gehuldigt hatte“:

„Eduard Ave kennt seinen Till, und er kennt sein Metier. In alten Quellen hat er die Wege und Gedankengänge seines Vorbildes aufgespürt. Selbst mit einer guten Portion Mutterwitz ausgestattet, verfolgt er mit wachem Blick und drastischem Humor die Narretei dieser Welt […] Je altväterlicher und wahrer er die Dinge beim rechten Namen nennt […], desto größer sei der Applaus derjenigen, denen er den Spiegel vorhält […] Begrüßungsadressen an hochgestellte und bekannte Persönlichkeiten hat der moderne Till schon richten müssen, so an Bundestagspräsident Gerstenmaier, an Mona Baptiste, an den Gesandten Timoschentko von der sowjetischen Botschaft in Bonn und an indonesische Diplomaten. Zahlreiche Erinnerungsstücke und gebündelte Packen Post aus aller Welt zeigen, dass Till viele Freunde gewonnen hat. [Er] ist mehr ein Weiser als nur Schalk. […] damit er ‚ankommt‘ bei seinen zahlreichen ausländischen Besuchern, hat er sich intensiv mit Sprachen befasst. Auf Englisch, Französisch, Dänisch, Norwegisch, Schwedisch und sogar auf Flämisch weiß Eduard Ave die Besucher Möllns anzusprechen.“

In Aves „Ordenssammlung“, die er der Presse 1963 stolz präsentierte, fanden sich Auszeichnungen von Fastnachtsveranstaltungen in Württemberg, Bayern, der Pfalz und im Rheinland. Dazu kamen Orden von Karnevalsgesellschaften in Aachen und Kaiserslautern, Ehrennadeln von Sportvereinen, Schützengilden, Feuerwehren und Heimatverbänden.

Ave war bis 1964 Möllns Eulenspiegel. Die Möllner SPD-Zeitung „De Uhlenspeegel“ widmete E. Ave im September 1981 ein Porträt:

„Der im Jahre 07 in Berlin Geborene hat ursprünglich den technisch-kaufmännischen Beruf angestrebt, weil sein Interesse Fahrzeugen und Motoren galt. Er hat im Großhandel volontiert und in mehreren Werkstätten gearbeitet. Seine beruflichen Stationen waren Hamburg, Kiel, Dresden, Leipzig, Düsseldorf, Stettin. In Frankreich absolvierte er ein kurzes Studium. Im Lokstedter Lager schulte er als Gewerbehilfslehrer für Mathematik und Fachrechnen Arbeitslose um. Dabei lernte er bei Itzehoe seine Frau Josephine kennen […] Eduard Ave war bis Kriegsende Soldat und wurde als Offizier entlassen. Aus kurzer amerikanischer Kriegsgefangenschaft ist er getürmt. Nach Mölln kam er durch Wohnungstausch aufgrund einer Anzeige. Hier war sein Job Holzfäller und Munitionsvernichter. Letztere Tätigkeit übte er als Sprengmeister auch in Hamburg aus. Seinem Hobby als Laienschauspieler frönte er in Ratzeburg. Dabei wurden Möllner Stadtväter, die einen Eulenspiegeldarsteller suchten, auf ihn aufmerksam. […] Als der damalige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Kai-Uwe von Hassel, aus Anlass eines internationalen Städtetages mit 200 Ausländern anreiste, hat Eduard Ave als Till die Gäste in 7 (!) Sprachen begrüßt […] Für besondere Anlässe fertigte ihm der Eulenspiegelkurator Dr. Wolfgang Friedrich den Text. Der Zusammenarbeit mit Dr. Friedrich, der Ave viele Anregungen gab, gedenkt er heute noch dankbar.“

Eduard Ave starb kurz vor seinem 90. Geburtstag im Oktober 1997. In seinem Nachruf schrieb Heinz Kiesbauer:

„Eduard Avé, dem der Accent d’aigu über dem e seines hugenottischen Familiennamens irgendwann lästig wurde, war zwölf Jahre lang – von 1953 bis 1964 - der offizielle Möllner Till Eulenspiegel. Für diese Aufgabe nutzte er auch seine Sprachkenntnisse, die er sich als reisender technischer Kaufmann angeeignet hatte […] Einmal galt es, das auch auf Ungarisch zu tun. Das war schwierig. Till Eduard paukte nächtelang. Und er war erfolgreich. Als die Gäste eintrafen, spulte er den Text fehlerfrei ab. Nur – die Gäste verstanden kein Wort. Sie kamen nicht aus Budapest, sondern von der Bundespost. […] Eduard Ave war auch ein großer Sportsmann. Bei den Soldaten hat er sogar geboxt. Als Trainer des damaligen TSV Mölln bildete er Fußballer aus, die später zu großem Ruhm kamen.“

Intermezzo

Keinerlei Hinweise gibt es bislang auf den Einsatz des Eulenspiegeldarstellers Adolf Gieselmann. Nur sein Nachname ist auf einem Porträtfoto zu lesen, das in der Galerie der Eulenspiegel-Darsteller überliefert ist. Unser Foto, vor dem Wasserturm aufgenommen, ist auf das Jahr 1963 datiert.

Seine Nachfolger waren Egon Nowél (ab 1964) und Kurt Lempio (ab 1965), genauere Daten gibt die Akte leider nicht her.

Egon Nowéls gab in einem Zeitungsbericht als Beruf „Zauberer“ an. Im Stadtarchiv Mölln liegt ein Plakat, das E. Nowél als „Mitglied des Magischen Zirkels von Deutschland“ ankündigt. Er sei „bekannt durch die Peter-Frankenfeld-Sendung ‚Wer kann – der komm‘, Haus Vaterland, Hamburg, Friedrichstadt-Palast, Berlin u.a.m.“

Seine Meldekarte nennt als Beruf deutlich profaner „Sportlehrer“.

Kurt Lempio war neben seinen Auftritten als Eulenspiegel bei der Stadt Mölln beschäftigt. Nach Beendigung der Tourismussaison wurde Lempio „wieder mit in den Botendienst eingeschaltet […] und […] zunächst mit dem Austragen der Steuerkarten beauftragt.“

Waldemar Ave – Ein Vierteljahrhundert im Narrenkleid

Waldemar Ave, der von 1969 bis 1994 als Eulenspiegel wirkte, war gelernter Klempner und Installateur. Neben seinem Eulenspiegel-Job war er als Hausmeister bei der Kurverwaltung angestellt.

Waldemar Ave hat sorgfältig über seine Auftritte Buch geführt. Auch Fotos und Zeitungsausschnitte seiner Auftritte hat er gesammelt. Mit zahlreichen Prominenten ließ sich Till ablichten, darunter Gert Fröbe, Heidi Kabel, Inge Meisel. Johanna von Koczian, Gustav Knuth oder Hans-Joachim Kulenkampff. Auch Politiker wurden von Waldemar Ave begrüßt: Herbert Wehner, Helmut Kohl, Willy Brandt, Gerhard Stoltenberg, Egon Bahr oder Bundespräsident Karl Carstens.

Anlässlich seines 15-jährigen Dienstjubiläums ließ Waldemar Ave sich vernehmen, dass Politiker im Wahlkampf allerdings für ihn „tabu“ seien: Die seien nämlich schon närrisch genug.

Nicht nur in Mölln trat Waldemar Ave als Eulenspiegel auf, er reiste in zahlreiche deutsche Städte, ins belgische Antwerpen ebenso wie ins dänische Sonderburg. Auch in Rundfunk und Fernsehen war er als Eulenspiegel präsent, u.a. im „Blauen Bock“.

Vom Zirkus Busch-Roland wurde W. Ave aus Dank für die langjährige Verbundenheit 1980 mit der silbernen Ehrenplakette ausgezeichnet.

Waldemar Ave wurde im Mai 1994 mit einem großen Abschiedsfest nach 25 Jahren in den Ruhestand geschickt. 4.300 Auftritte lagen hinter ihm, 360.000 Menschen hatte er in Mölln willkommen geheißen.

Das sind im Schnitt 14.400 Gäste pro Jahr!

Ein ganzes Wochenende wurde auf dem Marktplatz gefeiert, mit Zauberern, Gauklern, Artisten, Musikkapellen und den von Waldemar Ave gegründeten „Eulenspiegelaien“.

Zur Verabschiedung von Waldemar Ave kamen legendäre Persönlichkeiten nach Mölln: Der Hauptmann von Köpenick, das Gänseliesel (Göttingen), der Markgraf und die Stutentrine (Rendsburg), Dr. Eisenbart (Hann. Münden), der Rattenfänger von Hameln und der Heider Marktmeister mit Frau.

Waldemar Ave starb im Alter von 64 Jahren im Mai 2000.

„Ein zäher Bursche“: Mario Schäfer

Die Suche nach einem geeigneten Nachfolger für Waldemar Ave nahm lange Zeit in Anspruch. Schon Ende 1989 hatte die Kurverwaltung bekannt gegeben, dass man auf der Suche nach einem neuen Darsteller sei. Das Medien-Interesse war groß. Im Frühsommer 1990 konnte der Leiter der Kurverwaltung, Robert Spuler, im zuständigen Ausschuss bekannt geben, dass sich 15 Bewerber für den ungewöhnlichen Posten gemeldet hatten. In den persönlichen Gesprächen mit den Aspiranten kristallisiere sich ein engerer Kern heraus, darunter „ein Laienschauspieler aus der DDR, der seine Bewerbung mit vielversprechenden Entwürfen für künftige Ansprachen versehen hatte.“

Drei Kandidaten stellten sich Ende August im Kurausschuss vor. Der Ausschuss entschied sich schließlich für den damals 27-jährigen Mario Schäfer aus dem thüringischen Stützerbach, der „neben seinem Beruf als Schwimmmeister bereits auf einschlägige Erfahrungen verweisen kann: Im thüringischen Karneval schlüpfte er öfters in Tills bunten Narrenrock.“ Gelernt hatte Mario Schäfer zunächst Koch und Kellner.

Ende September 1991 wurde der neue Eulenspiegel vorgestellt, der zunächst eine dreijährige „Lehrzeit“ absolvieren sollte. Presse, Rundfunk und Fernsehen waren zur offiziellen Präsentation erschienen. Seinen Dienst bei der Kurverwaltung trat Mario Schäfer im Juni 1992 an. Seinen ersten Auftritt absolvierte er in einer Heroldstracht. Es war nicht beabsichtigt, den Eulenspiegel als Duo auftreten zu lassen, der „Neue“ sollte daher erst einmal die auswärtigen Auftritte bei Messen und ähnlichen Veranstaltungen übernehmen. Offizieller Amtsantritt war dann am 30. Mai 1994.

Als „zäher Bursche“ erwies sich Mario Schäfer bei den Eulenspiegel-Festspielen 1997, bei denen er noch nicht die Titelrolle verkörperte. Bei der Generalprobe stürzte er auf das Kopfsteinpflaster des Marktplatzes und zog sich eine schmerzhafte Fraktur am Oberschenkel zu. Trotzdem biss er die Zähne zusammen und trat bei den Festspielen auf. Er stand alle zehn Aufführungen durch, ehe er schließlich im Krankenhaus operiert werden musste.

1999, anlässlich seines fünfjährigen Dienstjubiläums, formulierte Mario Schäfer sein Bekenntnis: „Nur wenn wir ehrlichen Herzens Kritik üben, bringt uns das weiter.“ – „Ich habe niemals vergessen, wo ich herkomme. Und auch, wenn es reizvoll und eine hohe Kunst war, Probleme nur durch die Blume sagen zu können – aber mir ist immer bewusst, dass die Meinungsfreiheit das höchste Gut der Demokratie ist. Einen Maulkorb werde ich deswegen auch niemals dulden.“

Mario Schäfer starb unerwartet am 4. April 2017 im Alter von 52 Jahren.

Sven Kolb - ein Hesse erobert die Eulenspiegelstadt

Sven Kolb aus der hessischen Stadt Linsengericht ist seit 2017 beim Tourismus- und Stadtmarketing als hauptamtlicher Till-Eulenspiegel angestellt. Wie Kolb bereits bei seiner Bewerbung sagte, empfindet er seine Rolle nicht als Job, sondern als Berufung. Das merkt man ihm auch an. Er hat immer einen lockeren Spruch auf den Lippen und hält den Bürgern sprichwörtlich den Spiegel vor.

Bestes Beispiel sind seine Auftritte bei öffentlichen Veranstaltungen, bei denen aktuelle Themen präsentiert werden und auch manches Mal die Gäste einen Spiegel vorgehalten bekommen. Ja, unser Till traut sich was - frei nach dem Motto:

 „Was flog da aus des Narrens Munde, die Wahrheit trug ich hier euch Kunde...“

 

 

 

 

Sie benutzen offenbar den Internet Explorer von Microsoft als Webbrowser, um sich unsere Internetseite anzusehen.

Aus Gründen der Funktionalität und Sicherheit empfehlen wir dringend, einen aktuellen Webbrowser wie Firefox, Chrome, Safari, Opera oder Edge zu nutzen. Der Internet Explorer zeigt nicht alle Inhalte unserer Internetseite korrekt an und bietet nicht alle ihre Funktionen.