Wohl niemand hat es gern, wenn ihm seine Schwächen, Fehler und Eitelkeiten in einem Spiegel vorgehalten werden, erst recht nicht von einem Narren. Till Eulenspiegel kannte kein Pardon und insbesondere die maroden Zustände der spätmittelalterlichen Gesellschaft prangerte er an. Selbstzufriedene Bürger sowie der bestechliche Adel, aber auch die Kirche wurden von ihm demaskiert. Der Mythos um Till Eulenspiegel und seine zahlreichen Streiche hält sich seit mehreren Hundert Jahren, wenn auch Nachweise seiner wirklichen Existenz schwer zu erbringen sind. Aus dem Jahr 1510 stammt die älteste Ausgabe des Eulenspiegelbuches des Zollschreibers und Schriftstellers Hermann Bote.
Das Volksbuch erzählt uns von den derben und gewitzten Späßen des Schalksnarren "Dil Ulenspegel" (niederdeutsch). Demnach wurde der Schalk im Jahr 1300 in Kneitlingen bei Braunschweig geboren und ist im Jahr 1350 im Heilig-Geist-Hospital in Mölln gestorben. 96 Geschichten ranken sich um den Bauernsohn, dessen Streiche größtenteils darauf hinauslaufen, alle Befehle und Wünsche seiner jeweiligen Dienstherren wörtlich zu nehmen und ihnen auf närrische Weise Schaden zuzufügen. Häufig rächte er sich für ungerechte Behandlungen auf verblüffend einfache, aber doch wirksame Art und Weise.
Herman Bote (1467-1520) lässt seinen Schalk die menschlichen Schwächen, Fehler und Eitelkeiten seiner Zeitgenossen aufs Korn nehmen. Aber auch Kritik an maroden Zuständen der spätmittelalterlichen Gesellschaft kommt zwischen den Zeilen zum Ausdruck.
Till ergreift für niemanden Partei. Jeder muss sich vom ihm den Spiegel der Selbsterkenntnis vorhalten lassen. Er spottet über den selbstzufriedenen Bürger, das ewig duldsame und abergläubische Volk, den arroganten, bestechlichen Adel und der verweltlichte Klerus. Er transportiert Wahrheiten über das Lachen, wobei den von seinen Streichen Betroffenen sehr schnell das Lachen vergeht. Kein Wunder, denn oft werden sie auf drastische Weise auf ihre Verfehlungen hingewiesen.